Die pflanzliche Gewebekultur oder InVitro-Kultur (auch Mikrovermehrung genannt) ist eine in den 60er Jahren entwickelte Methode der Pflanzenvermehrung unter “in vitro” Bedingungen. Die Bezeichnung in vitro ist dem Lateinischen entlehnt und bedeutet soviel wie im Glas. Man unterscheidet zwischen Meristemkulturen und Organkulturen.
Bei Meristemkulturen werden die Zellen aus dem Meristem der Pflanze verwendet. Ein Meristem ist ein sogenanntes Bildungsgewebe, das aus undifferenzierten Zellen besteht. Es ergeben sich gewisse Parallelen zu den tierischen Stammzellen, was hier aber nicht näher erläutert werden soll.
Meristeme befinden sich auf den Sprossspitzen (Sprossapikalmeristeme), Seitensprossen (Subkutalmeristeme) und an den Wurzelspitzen (Wurzelapikalmeristeme). Im Unterschied zum Dauergewebe (Parenchym) besteht das Meristem aus Zellen, die immer noch zur mitotischen Teilung fähig sind. Hier gibt’s es nun eine besondere Fähigkeit von Pflanzenzellen, die sogenannte Totipotenz. Das bedeutet, aus einzelnen Zellen des Meristemgewebes kann ein vollständiger Organismus gebildet werden. Außer den Meristemkulturen gibt es auch sogenannte Organkulturen. Hierbei werden nicht nur einzelne Zellen von Mutterpflanzen entnommen, sondern es werden komplette, kleine Pflanzenteile z. B. Seitentriebe, Sprossspitzen, Einzelknoten, Samen oder Blätter als Ausgangsmaterial benutzt.
Vorteile der Pflanzlichen Gewebekultur
In erster Linie garantiert die pflanzliche Gewebekultur die Züchtung von gesunden, virusfreien Jungpflanzen, weil die Meristeme, als jüngstes Pflanzgewebe noch nicht von Viren befallen sind. Das ist wichtig bei der sogenannten Phytosanierung von Pflanzensorten, die durch einen Virusbefall ihre Vitalität verloren haben und ermöglicht somit ihre Virusfreihaltung. Die in diesen Verfahren vermehrten Pflanzen sind genetisch identisch (sortenecht) mit der Mutterpflanze und auf diese Weise lassen sich viele neue Pflanzen aus nur wenig Ausgangsmaterial züchten. Das ist besonders wichtig bei der Erhaltung von seltenen oder alten Pflanzensorten die auf herkömmliche Weise schwer zu vermehren sind.
Die Pflanzliche Gewebekultur wird daher vor allem verwendet um große Bestände von wirtschaftlich wichtigen Nutz- und Zierpflanzen aufzubauen. Da die Pflanzen unter sterilen Bedingungen gezüchtet werden, sind sie weitgehend frei von Krankheitserregern und Schädlingen und können unbedenklich exportiert werden.
Wie erfolgt denn nun diese In Vitro Kultur?
Als erstes werden ausgewählten Mutterpflanzen sogenannte Primärexplantate entnommen. Das sind winzige Gewebestückchen, aus denen sich später komplette Pflanzen entwickeln sollen.
Im zweiten Schritt erfolgt die Desinfektion. Hierbei werden eventuell äußerlich anhaftende Keime abgetötet. In steriler Umgebung werden die Explantate dann auf ein entsprechendes Nährmedium gesetzt.
Die Bestände werden regelmäßig kontrolliert und eventuell aussortiert.
Die aus diesen Primärexplantaten entstandene Pflanzen werden weiter auf ein Festnährmedium gesetzt und dort entwickeln sich die Pflanzen weiter.
Zusammensetzung des Nährmediums
Obwohl das Nährmedium speziell auf die Pflanzen-Arten abgestimmt werden kann, gibt es grundsätzlich für alle Nährmedien gemeinsame Bestandteile die für Pflanzenwachstum unabdingbar sind. Zu diesen Bestandteilen gehören Makro- und Mikronährstoffe, Vitamine, Hormone usw.
Zu Makronährstoffen gehören: Stickstoff (N), Phosphor ℗, Kalium (K), Magnesium (Mg), Calcium (Ca), und Schwefel (S).
Zu Mikronährstoffen gehören: Mangan (Mn), Bor (B), Zink (Zn), Molybdän (Mo), Kupfer (Cu), Kobalt (Co), Jod (J) und Eisen (Fe).
Zusätzlich werden folgende Vitamine zugesetzt: Nicotinsäure, Pyridoxin, Thiamin, Biotin, Folsäure und Glycin.
Auch Phytohormone sind ein wichtiger Teil des Nährmediums. Durch entsprechende Zusammensetzung kann man die Wachstumsprozesse in den Gewebekulturen steuern und gezielt, zum Beispiel die Wurzelbildung, fördern. Dabei sind auch die Konzentration und das Verhältnis der Hormone zueinander wichtig. Zu den wichtigsten Phytohormonen gehören Auxine (Wurzelhormone), die die Wurzelbildung anregen und Cytokinine (Wachstumshormone), die die Verzweigung fördern. Anhand der Zusammensetzung von all diesen Stoffen kann man die Organogenese in die gewünschte Richtung steuern. Es werden manchmal auch Gibereline und Abscisinsäure verwendet, weil sie bei manchen Pflanzenarten einen positiven Einfluss auf ihr Wachstum haben. Das Nährmedium besteht zusätzlich aus Zucker, Wasser und Agar, welches als Geliermittel Verwendung findet.
In-vitro-Pflanzen in der Aquaristik
Unter Aquarianern und vor allem unter den Pflanzenhändlern erfreuen sich die Pflanzen aus Gewebekulturen immer größerer Beliebtheit. Das Sortiment der angebotenen Meristemdosen mit Aquarienpflanzen wird immer breiter, was nicht ohne Grund ist.
In-vitro-Pflanzen haben im Vergleich zu den normal vermehrten, getopften Pflanzen mehrere Vorteile.
- Während es passieren kann, dass eingetopfte Ware oder Bundware mit Schnecken belastet ist, sind In-vitro-Pflanzen garantiert frei von Schnecken.
- Es werden auch keine Parasiten, Algen oder Keime übertragen. Der Einsatz von solchen sterilen Pflanzen ist besonders bei Aquarien mit empfindlichen wirbellosen Tieren sehr empfehlenswert.
- Ein weiterer Vorteil ist, dass Meristempflanzen keine Rückstände von Pestiziden oder Algiziden aufweisen, welche sehr schädlich für Garnelen oder Krebse wären.
- Die Dosen mit Meristempflanzen sind zwar kleiner als die handelsüblichen Töpfe, aber sie enthalten viel mehr Einzelpflanzen.
- Diese wachsen schnell an, weil die Wurzeln gesund und im Nährsubstrat voll ausgebildet sind.
- Im Vergleich mit den emers gezüchteten Pflanzen verlieren In-vitro-Pflanzen ihre Blätter nicht nach dem Einpflanzen unter Wasser.
- Ein anderer Vorteil (besonders für uns Pflanzenhändler ;-)) ist, dass diese Pflanzen gut transportfähig sind und nicht direkt nach Erhalt eingepflanzt werden müssen. Bei ausreichend Licht, in Zimmertemperatur und ungeöffnetem Becher bleibt die Qualität mehrere Wochen erhalten.
- Fast alle eingetopften Pflanzen wachsen in Steinwolle. Beim Austopfen ist es manchmal unumgänglich, die Wurzeln zu beschädigen oder zu kürzen. Diese Probleme bestehen bei In-vitro-Pflanzen nicht. Bei vorsichtigem Hantieren kann man Wurzelbeschädigungen weitgehend vermeiden.
Im Video zu sehen ist das Einpflanzen von Meristempflanzen am Beispiel von Eleocharis pusilla ‘mini’
Das Video wurde freundlicherweise bereitgestellt von Tropica.com
Um die In-vitro-Pflanzen ins Aquarium zu setzen soll man folgende Schritte befolgen:
- Die Pflanzen aus dem Becher entnehmen und vorsichtig das Nährsubstrat unter fließendem Wasser auswaschen. Am einfachsten geht es, indem man die Pflanzen für einige Zeit, ca. 1 Stunde, in ein Behälter mit Aquarienwasser legt und dann das aufgeweichte Nährgelee vorsichtig abwäscht.
- Die sauberen Pflanzen kann man jetzt mit einer Schere in 6–8 Teile teilen. Je nach Art kann man die Pflänzchen auch vorsichtig mit den Fingern in mehrere Portionen aufteilen.
- Die einzelnen Teilstücke vorsichtig in den Aquarienboden einpflanzen. Hierfür sollte man eine lange Pinzette benutzen und die Pflanzen nicht zu dicht, ihrer endgültigen Größe entsprechend, in den Bodengrund setzen.
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